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Grundsätzlich ist festzustellen, dass Brände nie ganz zu vermeiden sein werden. Wenn
aber der betriebliche Brandschutz funktioniert, werden sich Schäden in Grenzen halten.
Für die Organe des betrieblichen Brandschutzes (Brandschutzbeauftragter und
Brandschutzwart) ist die Ausbildung das wichtigste Kriterium. Nur durch eine fundierte
Ausbildung können die Belange des betrieblichen Brandschutzes rechtskonform erfüllt
werden. Der so genannte Brandschutzpass ist z.B. ein geeignetes Instrumentarium,
entsprechende und notwendige Kenntnisse nachzuweisen und auch die Fortbildung zu
dokumentieren. Gerade die Fortbildung bei jenen Institutionen, die
Brandschutzbeauftragte ausbilden, garantiert durch die vielen in der Praxis tätigen
Vortragenden eine kontinuierliche und aktuelle Wissensvermittlung aus dem Bereich des
Vorbeugenden und Abwehrenden Brandschutzes. Trotzdem wird der Praxis selbst noch
zu wenig Bedeutung beigemessen. Die Ausbildung orientiert sich im technischen Teil
beinahe ausschließlich auf die theoretische Wissensvermittlung. Die
Brandschutzelemente werden zwar visuell präsentiert, kaum jemand hat aber eine
Brandschutzklappe, eine Abschottung, einen Rauchmelder, eine Sprinklerdüse etc. in
Funktion kennen gelernt. Ebenso fehlen Kenntnisse für den normgerechten Einbau dieser
und anderer Brandschutzeinrichtungen.
Der betriebliche Brandschutz hat sich mit der Erstellung der Brandschutzordnung, des
Brandschutzplanes und des Alarm- und Gefahrenabwehrplanes auseinanderzusetzen.
Weiters sind die Eigenkontrollen sowie die periodischen Überprüfungen zu organisieren.
Alle Vorkommnisse auf diesem Gebiet sind in das Brandschutzbuch einzutragen. Dabei
ist es ratsam, die jeweiligen vom Vorgesetzen unterzeichneten Eintragungen zu kopieren
und an einem anderen Ort als das Brandschutzbuch selbst aufzubewahren. Bei einer
Zerstörung des Brandschutzbuches wären sonst sämtliche Beweise vernichtet.
Die Dauer der Ausbildung ist zurzeit allerdings noch umstritten. Der Trend zu einer 80-
stündigen Ausbildung zum Brandschutzbeauftragten wird sich allerdings auf Dauer nicht
verhindern lassen. Zu groß sind die Anforderungen, zu umfangreich ist das
Aufgabengebiet.
1
1
Pölzl Alfred, Ing. Festschrift „5. Aprilsymposium“, Eigenverlag Grazer Brandschutzforum, Graz, April 2004
15
1.2 Thema
Ein Qualitäts- und/oder Umweltmanagementsystem hat die Aufgabe, ein Unternehmen in
eine wirtschaftliche und personell stabile Lage zu führen. Doppelgleisigkeiten,
Unterlassungen, Fehler etc. sollen erkannt und abgestellt werden. Durch
Managementprozesse werden Verbesserungen herbeigeführt, die in festgelegten
Intervallen zu wiederholen sind. Dadurch kommt es zu steuerbaren Betriebsabläufen, die
sich - werden sie rechtzeitig erkannt - positiv auf beinahe alle Sparten eines
Unternehmens auswirken.
Wir verfügen mittlerweile in den Bereichen Umwelt, Arbeitssicherheit, Gesundheit etc.
über ausgereifte Managementsysteme. Ein Managementsystem auf dem Gebiete des
Brandschutzes steht derzeit allerdings noch nicht zur Verfügung.
1.3 Problemstellung
In der Arbeitsstättenverordnung und auch in diversen Landesgesetzen finden sich
Vorgaben, die es ermöglichen, Brandschutzbeauftragte (BSB) vorzuschreiben. Dabei
werden nach einer bundeseinheitlichen Regelung (Technische Richtlinie für den
vorbeugenden Brandschutz) die unterschiedlichsten Personen zu einer Ausbildung
zugelassen, ohne eine effektive Selektion vorzunehmen. Aus den verschiedensten
Hierarchien werden dabei mehr oder weniger Freiwillige gewonnen oder meist einfach
bestimmt, welche die Gesamtverantwortung für den Brandschutz im Betrieb übernehmen
sollen. Oft wird auch nach lediglich einem Tag Ausbildung - die Gesamtausbildung für den
Brandschutzbeauftragten (BSB) beträgt mindestens vier Tage - der so genannte
Brandschutzwart (BSW) mit allen technischen, betrieblichen und organisatorischen
Problemstellungen sich selbst überlassen. Eine notwendige periodische und nachhaltige
Kontrolle durch die oberste Leitung erfolgt meist nicht.
Dazu kommt, dass die Agenden des betrieblichen Brandschutzes in sehr vielen Fällen am
unteren Ende der Hierarchie angesiedelt werden. Nicht selten verbirgt sich dahinter der
Wunsch, die Verantwortung nicht nur hierarchisch sondern auch räumlich weit weg von
den eigentlichen Verantwortungsträgern zu schieben. Dadurch kommt es häufig zu einer
Eliminierung der grundsätzlich enorm wichtigen Beraterfunktion des BSB mit dem Effekt,
dass die Aktivitäten im Laufe der Zeit immer geringer werden und schließlich zum
Stillstand kommen. Der Brandschutz existiert schließlich nur mehr am Papier!
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Wenn es nun in dieser kritischen Phase des Betriebsbrandschutzes zu einem
Brandgeschehen kommt, muss mit den ärgsten Auswirkungen gerechnet werden. In
dieser Situation kann es nicht nur zu großen Schäden kommen, sondern auch die
Existenz des gesamten Unternehmens mit all seinen Arbeitsplätzen kann vernichtet
werden.
Es hat sich auch gezeigt, dass lediglich die Vorschreibung von Brandschutzbeauftragten
(BSB) für größere Betriebe aus fachlichen Gründen unzureichend ist. Die heute vielfach
verwendeten hochtechnologischen und chemischen Prozesse, die für die
Massenproduktion erforderlichen Roboteranlagen sowie die im Brandfall problematischen
Bau-, Einrichtungs- und Werkstoffe setzen gerade bei den mit Sicherheitsfragen
beschäftigten Personen technische und naturwissenschaftliche Kenntnisse voraus, die
nur im Rahmen eines Ingenieurstudiums und einer angeschlossenen Fachausbildung
erworben werden können. Vor allem im Bereich der erforderlichen weiterführenden
Fachausbildung für Brandschutztechniker (BST) gibt es derzeit in Österreich keine
eigenen Ausbildungsstellen und Institute. Deswegen wurde in Zusammenarbeit mit dem
Grazer Brandschutzforum und dem Landesfeuerwehrverband Steiermark eine
Modellschulung für Brandschutztechniker erarbeitet. Diese soll an einer Zielgruppe von
etwa 40 bis 50 Personen in den nächsten Jahren in die Realität umgesetzt werden und ist
auch Gegenstand dieser Arbeit.
1.4 Forschungsfragen
Welche Schritte sind nun für die Erstellung eines Brandschutzmanagementsystems zu
setzen? Die grundsätzliche Vorgangsweise und Zielsetzung dabei ist: Einerseits soll ein
eigenständiges Anforderungsprofil erhalten und andererseits sollen bereits bestehende
Managementsysteme genutzt werden.
Weitere wichtige zu behandelnde Fragen:
ξ Wann und unter welchen Voraussetzungen müssen Brandschutzbeauftragte
(BSB) überhaupt eingesetzt werden?
ξ Unter welchen betrieblichen Voraussetzungen sind Brandschutztechniker (BST)
erforderlich?
ξ Reicht es aus, sich nur auf behördliche Vorschreibungen zu verlassen?
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ξ Wie muss die Ausbildung der BSB bzw. BST über die bestehenden Vorgaben
hinaus, weitergeführt werden bzw. welche Ausbildungsinhalte müssen zwingend
vorgesehen werden?
ξ Wie ist die Gesamtverantwortung zu definieren, und wann darf sie delegiert
werden?
ξ Wie kann man eine „gerichtsfeste“ Organisation gestalten?
ξ Welche Managementsysteme stehen dem Brandschutz zur Verfügung?
ξ Wie sieht der Brandschutzbeauftragte seine Aufgabe im Betrieb?
ξ Welche rechtlichen und organisatorischen Grundlagen bestehen für die
Organisation des betrieblichen Brandschutzes?
Zum letzten Punkt dieses Fragenkatalogs wurde gerade eine Studie erstellt (siehe
Anhang). Sie soll Aufschluss darüber geben, wie der Wissensstand von den Betroffenen
selbst eingeschätzt wird, welche Fortbildung über das gesetzlich vorgegebene Maß
hinaus als notwendig erachtet wird und wie zufrieden dieser Personenkreis insgesamt in
Ausübung seiner Brandschutz-Tätigkeit einzuschätzen ist. Weiters soll die Studie durch
Befragung von 1.020 Personen Erkenntnisse darüber bringen, mit welchem Zeitaufwand,
und daraus resultierend, mit welcher Qualität diese Tätigkeit ausgeübt wird.
Darüber hinaus soll durch Einführen von Risikoprioritäts-Kennzahlen eine Gewichtung der
Dringlichkeit von Kontrollmaßnahmen (Eigenkontrolle) festgelegt werden, sodass eine
Fehlermöglichkeits- und Entdeckungsanalyse (FMEA) durchgeführt werden kann. In der
Folge stehen noch Fragen der Konfliktbewältigung bei der Ausübung der Tätigkeit eines
Brandschutzbeauftragten am Programm, die in diesem Bereich zwangsläufig immer
entstehen. Weiters werden Möglichkeiten der Managementpolitik aufgezeigt, die ein
liniendurchgängiges Brandschutzmanagementsystem beleben und mit Mitteln eines
Brandschutzmarketings noch unterstützt werden können. Zusätzlich soll ein
Fragenkatalog entstehen, der sämtliche Fragen des Brandschutzes berührt, sodass eine
lückenlose Durchführung der Brandschutzbeauftragtenaufgaben ermöglicht wird. Dabei
wird insbesondere auf die praxisgerechte Umsetzung Wert gelegt, da genau in dieser
Disziplin die größten Wissenslücken vorherrschen.
1.5 Wissenschaftliche Relevanz des Themas
Die Ausübung der Tätigkeit eines Brandschutzbeauftragten wird dem zeitlichen Umfang
nach und aus der Sicht der technischen Anforderungen in der Regel unterschätzt. Diese
Erkenntnis erfordert, dass sowohl der obersten Leitung als auch den
Linienverantwortlichen Managementinstrumente in die Hand gegeben werden müssen,
18
die es ihnen ermöglichen, systematisch, technisch richtig und normgetreu vorzugehen.
Dadurch kann der Brandschutz verbessert und gleichzeitig die Verantwortung gegenüber
der Justiz minimiert werden. Eine Dokumentation ist daher unerlässlich, allerdings im
Bereich des Brandschutzes noch nicht ausreichend eingeführt. Mit dieser
wissenschaftlichen Arbeit soll dies erstmals in Österreich erfolgen.
1.6 Nutzen
Jedes Unternehmen möchte, den Anforderungen eines modernen Qualitäts- und
Umweltmanagementsystems folgend, Verbesserungen vornehmen und damit
einhergehend zu einer Kostensenkung kommen. Darüber hinaus weiß man, dass bei
vorhandener Kundenzufriedenheit auch Fehlleistungen toleriert werden und hin und
wieder über erhöhte Preise hinweggesehen wird. Die Systemerhaltung funktioniert aber
nur dann, wenn sich alle Rädchen drehen. Steht der Betrieb still - im Brandfall ist das
beinahe immer der Fall - brechen die Probleme in kürzester Zeit auf das Unternehmen
ein. Besonders bei JiT-Lieferanten führt jedoch ein Totalausfall unweigerlich in eine
ausweglose Situation. Mit einem Brandschutzmanagementsystem können die
Voraussetzungen für einen brandsicheren, leistungs- und wettbewerbsfähigen Betrieb
geschaffen werden.
1.7 Zielgruppen
In Österreich bestehen etwa 50.000 Unternehmen. Davon benötigen einer groben
Schätzung zufolge etwa 30.000 Unternehmen einen Brandschutzbeauftragten sowie
mindestens einen Stellvertreter. Somit kann die Zielgruppe jener, die ein
Brandschutzmanagementsystem benötigen würden, auf etwa 60.000 Personen geschätzt
werden. Rechnet man die oberste Leitung und die diversen Linienverantwortlichen hinzu,
dürfte sich die Zahl derer, die von einem derartigen System profitieren könnten,
verdoppeln.
1.8 Methoden
Die Schaffung eines Brandschutzmanagementsystems soll einerseits unter Zuhilfenahme
statistischer und empirischer Methoden für den Bereich des Brandschutzes entstehen,
aber in Analogie zu anderen bereits vorhandenen Managementsystemen aufgebaut
werden. Dabei soll insbesondere die Systematik der ÖNORM EN ISO 14001 Vorbild sein.
19
1.9 Angestrebtes Ziel
Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit soll es den vielen in Österreich tätigen
Brandschutzbeauftragten ermöglicht werden, in einer einheitlichen Vorgangsweise ihre
Arbeit mit minimalem Risiko zu begehen. Der Brandschutzstandard soll dadurch ein
Höchstniveau erreichen, ohne jedoch ein Kostendisaster zu hinterlassen. Eine
Implementierung in ein eventuell bereits bestehendes Managementsystem soll ermöglicht
werden.
Anmerkung: In den letzten zwei Jahren sind Brände entstanden, die ein
Schadensausmaß von etwa 90 Mio. Euro betrugen. Dabei kam es jedes Mal zu einer
Totalzerstörung der Betriebsanlagen. Daraus folgt: Die Brandabschnitte funktionierten
nicht bzw. haben versagt. Warum dem so war, kann, wenn überhaupt, wohl nur von den
Verantwortlichen des betrieblichen Brandschutzes beantwortet werden. Die
Versicherungen werden dazu vermutlich auch nicht in der Lage sein.
1.10 Weitere Perspektiven
Die so erreichte Qualitätsverbesserung in den Betrieben könnte auch auf andere Sparten
des Brandschutzes abfärben. Ein Beispiel soll dies belegen: Vor 1995 war es üblich, dass
alle Vorgaben, gemeint sind hier Auflagen und Aufträge, von der Behörde selbst
abgenommen wurden. Mit der Novellierung des Baugesetzes hat der Gesetzgeber es frei
gestellt, wer diesen Nachweis erbringen kann. Der Generalunternehmer oder
Bauausführende macht es sich aber oft zu einfach. Die in der Steiermark derzeit bereits
gültige so genannte Bauführerbescheinigung, die auch von den anderen Bundesländern
übernommen werden soll und teilweise auch schon übernommen wurde, hat zum Ziel, im
Rahmen der baulichen Koordination Vereinfachungen zu schaffen. Mit diesem Dokument,
als solches ist es jedenfalls zu werten, bescheinigt man mit meist nur einem einzigen
Satz, dass alle Vorschriften (Gesetze, Normen Richtlinien etc.) eingehalten wurden. Die
Praxis hat jedoch gezeigt, dass dieses Papier vielfach missbraucht wird. Das hat dazu
geführt, dass der Tatbestand der Dokumentenfälschung erfüllt wurde und dies somit bei
der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht werden musste. Eine Behörde, die zu
diesem Erkenntnis kommt, ist verpflichtet diese Vorgangsweise einzuschlagen.
Die Täuschung, die damit hervorgerufen wird, betrifft nicht nur den Bauherrn, sondern
auch die Behörde. In der Praxis hat man dem Papier nämlich bisher Glauben geschenkt
und keine weiteren Fragen gestellt. Wird der Behörde ein derartiges Schriftstück
übergeben, so besteht auch für sie keine Verpflichtung eine Abnahme oder Überprüfung
vor Ort vorzunehmen.
20
Da Brände aus der Sicht der Bauausführenden ohnedies nicht in den von ihnen
errichteten Bauwerken entstehen, bleiben nun Brandschutzmängel bis zum tatsächlichen
Auftreten (Brand) unentdeckt. Diese Tatsache verleitet auch sehr sorglos mit dem
Gesamtthema Brandschutz umzugehen. Ein Vergleich dazu: Werden beim Schallschutz
Verfehlungen begangen, so tritt dieser Mangel bereits in der ersten Nacht ans Tageslicht.
Mangelnder Brandschutz wird vielleicht nie oder nur sehr verspätet erkannt. Dieser
Umstand ist den Bautreibenden bekannt und wird daher in vielen Fällen zur Gänze
ausgereizt.
Beim Vorhandensein eines betrieblichen Brandschutzmanagementsystems hätte eine
„getürkte“ Bauführerbescheinigung hingegen keine Chance. Es wäre daher wohl mit weit
weniger Aufwand verbunden, den Brandschutz gleich von Anfang an richtig zu bemessen
und nicht durch teure Nachbesserungen seinen Verpflichtungen gerecht zu werden. Diese
Perspektive strahlt einen ganz besonderen Reiz auf die Brandsicherheit in einem
Unternehmen aus, da einerseits der „vorauseilende Qualitätsgehorsam“ zur Verpflichtung
wird und andererseits die Haftungsproblematik wie ein Damoklesschwert über den Köpfen
aller sorglos agierenden Beteiligten schwebt. Damit wäre mit dem sanftesten Zwang der
größte Erfolg zu erzielen.
21
Abschnitt II
2. Geschichtliche Entwicklung des Brandschutzes
2.1 Die ersten Bauvorschriften sollten vor Feuer schützen
Die ersten primitiven Bauwerke des Menschen sollten vor allem vor den Unbilden der
Natur schützen, vor Niederschlägen, extremen Temperaturen und starken Stürmen. Eine
den Behausungen innewohnende Gefahr bestand von allen Anfang an: ein
unkontrolliertes Feuer, also Brand.
Mit der Entstehung von Siedlungen wurde diese Gefahr größer - sowohl hinsichtlich der
Häufigkeit als auch des Schadensausmaßes.
Durch die Entwicklung technischer Fähigkeiten konnten Bauwerke als Schutz vor
kriegerischen Angriffen ausgebildet werden und dem zivilisatorischen Wachstum folgend
zu städtischen Agglomerationen verdichtet werden. Mit diesen Vorgängen stieg das
Risiko der Brandgefahren und stellte ebenso ein gesellschaftliches Problem dar, wie
andere dem Bauen inhärente Gefahren: Unfälle bei der Errichtung und Benützung,
Mängel der Standfestigkeit und unsachgemäße Ausbildung sowie Einwirkungen
gewöhnlich nicht zu erwartender Naturgewalten.
Die jüngere Phase des technischen Fortschritts ist durch das Entstehen so genannter
Großtechnologien in den Bereichen von Chemieprodukten und Energieerzeugung
gekennzeichnet.
Projekte gewaltiger Größenordnungen und die urbane Lebensform sind Quellen global
wirkender Gefahren, deren Abwehr nur von spezialisierten technischen, strategischen und
politischen Kräften angegangen werden kann. Jedenfalls bewirken diese Gefahren
gleichfalls Schäden an der Gesundheit und am Leben der Menschen. Der Umweltschutz
setzt zur Abwehr nicht nur im Bereich von Großtechnologien und öffentlichen Gebäuden
Maßnahmen, sondern auch auf der Ebene der Haushalte, sodass jedes Wohngebäude
davon betroffen ist.
22
2.2 Entwicklung der Gefahrenabwehr
Eine wirksame vorbeugende Gefahrenabwehr setzt sich aus vier Hauptstufen zusammen:
1. Kenntnis der Gefahr: Vorbeugender Schutz ist nur vor bekannten Gefahren
möglich.
2. Abwehrmaßnahmen: Die Wirksamkeit der Abwehrmaßnahmen muss erwiesen
sein.
3. Forderungen: Die Maßnahme muss gefordert sein – einerseits um den
Erfahrungsschatz weiterzugeben und andererseits um Risikoakzeptanz der
Gewinnsucht zuliebe hintanzuhalten.
4. Durchsetzungsmittel: Die Anwendung der Maßnahmen muss durchgesetzt
werden.
Die herkömmlichen Bauwerksgefahren sind seit Jahrtausenden bekannt, die
Abwehrmaßnahmen ebenso lange erprobt, wie auch der Grad ihrer Wirksamkeit. Mit der
Entwicklung der Bautechnik hielt die Abwehrtechnik Schritt, trotz der langsam wirkenden
Methode der Empirie zur Gewinnung von Erkenntnissen.
Das Wort Gefahr wird in Bezug auf eine Tätigkeit, eine Situation oder ein Ereignis
verwendet und impliziert ganz generell die Möglichkeit, einen Schaden zu erleiden. Im
allgemeinen Sprachgebrauch wird darunter laut Brockhaus 1996 die Bedrohung der
Sicherheit, das heißt ein drohendes Unheil verstanden.
In der ältesten Gesetzessammlung, dem Codex Hammurabi (1728-1686 v. Chr.), finden
sich zwei solche Vorschriften. Nach der einen hatte der Baumeister, der ein Haus so
errichtet hatte, dass ein Zusammensturz den Käufer (Bauherrn) tötete, mit seinem Leben
zu büßen. Nach der anderen wurde, wenn die Trümmer eines Hauses den Sohn des
Hausherrn töteten, zur Buße der Sohn des Baumeisters getötet.
Aus der Gruppe der herkömmlichen Bauwerksgefahren ragt die Brandgefahr mit dem
größten Schadenspotential, dem größten Risiko, heraus. Die vorbeugende Verhütung von
Bränden, ihre Entstehung und Ausbreitung sowie ihre Bekämpfung bildeten von je her
einen Schwerpunkt der öffentlichen Interessen jeder Gesellschaft. Diesbezügliche
Vorschriften wurden im Laufe der Zeit zu eigenen Feuerlöschordnungen
(Feuerpolizeiordnungen) zusammengefasst.
23
2.3 Die ersten Bauordnungen
Auf Grund der vielen vernichtenden Brände hatte man in Österreich schnell erkannt, dass
für die Bevölkerung Regelungen geschaffen werden mussten, die eine Brandausbreitung
verhindern konnten:
ξ 1820 Linz und Stadt Salzburg
ξ 1820 Herzogtum Österreich ob der Enns (kleinere Städte, Märkte u. offenes Land)
ξ 1820 Herzogtum Salzburg
ξ 1829 Wien
ξ 1856 Graz, Kundmachung, 1867 Bauordnung
ξ 1857 Steiermark, ohne Graz, Kundmachung
ξ 1866 Niederösterreich
ξ 1866 Kärnten
ξ 1872 Klagenfurt, 1904 Bauordnung
ξ 1873 Salzburg Stadt
ξ 1875 Oberösterreich
ξ 1875 Steyr
ξ 1879 Land Salzburg
ξ 1884 Innsbruck
ξ 1886 Vorarlberg
ξ 1887 Wels
ξ 1900 Tirol, ausgenommen wichtige Städte
ξ 1926 Burgenland
2
2.4 Der erste Brandschutzbeauftragte
Im Jahre 1812 hatte F.B. Osiander eine Schrift („Wie können Paläste, Schlösser und
Schauspielhäuser gegen Feuersgefahr geschützt werden?“) in Hannover verfasst, da
Brände ein Ausmaß angenommen hatten, dass man sich einfach überlegen musste, wie
man der Sache Herr werden konnte.
3
„
2
Müller Jochen, Dipl.- Ing. Dr. Dissertation „Bauwerk und Gefahrenabwehr“, Seite 49 ff, Das österreichische
Sicherheitsgefüge bezüglich Gebäude bestehend aus rechtlichen Vorschriften und technischen Regelwerken in den
verschiedenen Lebenszyklusphasen, TU Wien, 2003
3
Kabat, Sylwester, Brandschutz in Baudenkmälern, Seite 11 und 81, Verlag Kohlhammer-Stuttgart/Berlin/Köln, 1996
24
Gegen alle diese Gefahren gibt es nun kein sicheres Mittel, als eine besonders gute
Feueraufsicht.“ Zu diesem Schluss ist Osiander in der zitierten Schrift gekommen. Als
organisatorische Maßnahme empfahl er den Schlossbesitzern aus dem Schlosspersonal
eine Feuerinspektion mit einem „Feuer-Intendanten“ an der Spitze zu bilden, die die
Aufgabe hätte, regelmäßig das Schloss zu überprüfen und vorgefundene Gefahrenquellen
zu beseitigen.
Den offiziellen Dokumenten zufolge kann dies wohl als die Geburtsstunde des
betrieblichen Brandschutzes bezeichnet werden. Spannt man den Bogen in die
Gegenwart, so muss man sich insbesondere bei den kulturhistorisch wertvollen Bauten
die Frage stellen, inwieweit dieser Gedanke in die heutige Zeit überliefert werden konnte.
Am Beispiel der Brände in der Hofburg und den Sophiensälen wird diese These jedenfalls
untermauert.
25
3. Heutiger Stand des Brandschutzes
3.1 Die praktische Ausbildung im Vorbeugenden Brandschutz fehlt
Der status quo des Brandschutzes präsentiert sich in vielen Bereichen als stagnierendes
System, das sowohl in der Ausbildung als auch in der praktischen Anwendung nicht den
modernen Anforderungen eines Managementsystems entspricht. Dabei mangelt es vor
allem an der Ausbildung, die zwar alle theoretischen Aspekte beinhaltet, für die Praxis
allerdings nur im Bereich des abwehrenden Brandschutzes Übungen vorsieht. Das ist
zwar auch notwendig und motiviert den Auszubildenden, da diese Erkenntnisse und
Fähigkeiten direkt auf den privaten Bereich übertragen werden können, doch ist es nicht
die primäre Aufgabenstellung eines Brandschutzbeauftragten oder Brandschutzwartes
Brände zu löschen. Das ist auch nicht vorgesehen, zumal für den Personenkreis ja keine
Anwesenheitspflicht im Betrieb besteht, was weiter bedeutet, dass Brände von den
Brandschutzorganen nur zufällig gelöscht werden können. Anders verhält es sich mit dem
Vorbeugenden Brandschutz. Dieser Teil des gesamten Brandschutzes ist es, der die
größten Schwierigkeiten bereitet. Und gerade dieser Fachbereich wird in den
Ausbildungen nur theoretisch ausgeleuchtet.
3.2 Der Einstieg erfolgt unvorbereitet
Nach bereits einem Tag Ausbildung - ein Tag reicht um als Brandschutzwart mit voller
Verantwortung eingesetzt werden zu können - wird man direkt in die Praxis entlassen.
Das heißt, der Brandschutzwart muss nun erkennen, wo es im Unternehmen Mängel gibt,
was überhaupt als Mangel zu bezeichnen ist und welche Überprüfungsintervalle
einzuhalten sind. Mit einem Tag Ausbildung ist dieser Umfang verständlicherweise nicht
zu erreichen. Wenn nun aber der verantwortliche Brandschutzbeauftragte alle diese
Vorgaben, die der Brandschutzwart für seine Tätigkeit vor Ort benötigt, auch liefern
könnte, wäre das System wieder im Lot. So ist es aber nicht. Auch der
Brandschutzbeauftragte hat mit seiner dreitägigen Ausbildung (es folgen dann später
noch weitere Ausbildungstage für themen- und branchenbezogene Seminare) keine
praktischen Erfahrungen vermittelt bekommen.
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4. Das Unternehmen und seine beauftragten Personen
4.1 Das österreichische Beauftragtenwesen
Im österreichischen Rechtssystem gibt es mittlerweile etwas mehr als 90 Beauftragte, die
Funktionen der obersten Leitung delegiert bekommen.
Diese Funktionen reichen vom Talsperrenbeauftragten über den
Gefahrgutlenkerbeauftragten bis hin zum Brandschutzbeauftragten. Diese Tätigkeiten
nehmen der obersten Leitung Teile der Verantwortung ab, entlasten Sie aber nicht zur
Gänze.
Die Kontrolle obliegt demzufolge der letzt verantwortlichen Person in der
Unternehmensführung.
4.2 Zeit-Ressourcen des Brandschutzbeauftragten
Verantwortung kann demnach delegiert werden, es muss aber auch sichergestellt
werden, dass sie kontrolliert wird. Somit ist ein Sicherheitsnetz zu flechten, in dem eine
jederzeitige Nachvollziehbarkeit der Organisation gewährleistet werden kann.
Um diese Aufgaben zu bewältigen, muss dem Beauftragten ein bestimmtes Zeitvolumen
für seine verantwortungsvollen Aufgaben eingeräumt werden.
Allzu oft aber werden die Tätigkeiten der Beauftragten nicht genug geschätzt, was zur
Folge hat, dass der zeitliche Rahmen nicht mit dem Maße zur Verfügung steht, wie es
notwendig wäre.